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Es war ein launiger Abend in der IHK in Bielefeld, bei dem sich die drei Unternehmer Dr. Wolfgang W. Böllhoff, Ortwin Goldbeck und Dr. Peter von Möller den Fragen der Journalistin Brigitte Büscher stellten. Unter dem Motto „Familienunternehmen — Stabilitätsanker in rauen Zeiten?!“ ließen sie Entscheidungen aus
ihrer operativen Tätigkeiten Revue pas­sieren und sorgten für den ein oder anderen Lacher beim Publikum im Ostwestfalen-Saal. Etwa 80 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten konzentriert dem über 90-minütigen Gespräch. Eine Quintessenz: Ohne Vertrauen in Mitarbeitende lässt sich kein Familienunternehmen er­-
folgreich durch die Zeiten manövrieren, insbesondere durch herausfordernde Zeiten.

Gefragt nach den Werten, die sie antreiben, stellte Böllhoff „Verlässlichkeit und Freundlichkeit“ in den Vordergrund. „Menschen sollen gut miteinander um­­gehen“, schob der Familienunternehmer in der dritten Generation nach. Dies müsse von der Unternehmensspitze 
vorgelebt werden, damit es auch an der Basis glaubhaft sei. „Ein bisschen Theater ist immer mit dabei“, sorgte er für Heiterkeit. Selbst wenn es Tage gegeben hätte, an denen er sorgenvoll ins Unternehmen gegangen sei, wäre er seinen Mitarbeitenden freundlich begegnet.

Für von Möller, Familienunternehmer in der siebten Generation, sind Transpa­renz und Umgang auf Augenhöhe entscheidend: „Du musst zu den Menschen gehen, führen, nicht herrschen“, lautete sein Tipp an das Publikum. Und steuerte eine Anekdote bei: 1985 hätten sie ein Unternehmen in Frankreich gekauft und dort sei es üblich, für 25-jährige Be­­triebszugehörigkeit die Trikolore in Form einer Anstecknadel zu überreichen. Nach erfolgreichem Anheften fragten die Mitarbeiterinnen: „Où sont les bisous? Wo sind die Küsschen?“, trug von Möller zur Erheiterung vor und ergänzte: „Wichtig ist, gut mit den Menschen zurechtzukommen und Verständnis zu haben.“

„Freiheit, Verantwortung und Vertrauen“, nannte Goldbeck, der als einziger Unternehmensgründer auf dem Podium saß, als seine Werte. „Die Nähe zu den Mitarbeitern spielt immer eine große Rolle. Das ist unsere Chance, die wir haben, uns von Konzernen zu unterscheiden.“ Insbesondere in einer wachsenden, de­zentralen Organisation mit mittlerweile über 12.000 Mitarbeitenden sei das Thema „Vertrauen entgegenbringen“ sehr wichtig. Und dann fragte Büscher nach dem „Zettel auf seinem Schreibtisch“: Den gebe es, der Spruch darauf laute „Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun“. „Ich habe mehrere Zettel“, nutzte Goldbeck schmunzelnd die Gunst des Augen­blicks, „‚Wer allzu viel bedenkt, wird wenig leisten‘ — das ist von Schiller.“ Böllhoff konterte mit Fontane: „‚Wer schaffen will, muss fröhlich sein‘, und ‚Ihr müsst immer noch etwas hinter den Büschen haben‘ — der Spruch ist von meinem Vater, gedacht für schlechte Zeiten.“ Von Möller schaute in dem Moment wohlwollend-verwundert auf seine Mitdiskutanten. „Du brauchst keine Zettel. Dir fällt immer etwas Passendes ein“, sagte Böllhoff, Hand auf dem Unterarm, zu seinem langjährigen Freund Peter von Möller. 

Einig waren sich die drei, dass diese Werte auch durch Krisenzeiten tragen würden. Vertrauen spiele auch dabei eine herausgehobene Rolle, „es wächst über viele Jahrzehnte“, so von Möller. Könnten sich Mitarbeitende darauf verlassen, dass es laut Böllhoff auch in „rauen Zeiten fair zugeht“, ließen sich auch Frühverrentung oder Abfindungen regeln. „Das muss ordentlich gemacht werden.“ An­fang der Nullerjahre seien schwierige Zeiten gewesen, eine Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich von 37 auf 40 Wochenstunden sei notwendig gewesen, berichtet Goldbeck. Aber sie hätten eine Gewinnbeteiligung in Aussicht gestellt, wenn sich die Situation wieder bessern würde. „Wir haben alle Leistungsträger behalten“, klingt Goldbeck noch heute stolz. 
„Krisen machen uns stärker — wenn wir durchkommen“, ergänzte von Möller. 

Es sei auch eine Chance, alles in Frage stellen zu können. „Die kleinste Krise ist ein Fehler. ‚Fehler sind unsere Freunde‘“, zitiert von Möller die KAIZEN-Management-Methode, die sie 2010 im Unternehmen eingeführt hätten. Die Ursachen­forschung für den Fehler sei wichtig — aber der Fehler dürfe nicht ein zweites Mal passieren. 

Sehr aufmerksam wurde auch beim Thema Unternehmensnachfolge zugehört. Für von Möller ist der „Substanzerhalt des Unternehmens“ die wichtigste Aufgabe beim Generationswechsel. „Der größte Feind ist die Substanzbesteuerung.“ Durch frühzeitiges Übertragen von Unternehmensbeteiligungen könnten Schenkungs- und Erbschaftssteuer vermieden werden. So habe er sogar an seinen jüngsten, damals zwei Jahre alten Sohn, Firmenanteile übertragen. „Darüber haben wir seinerzeit diskutiert“, erinnert sich Böllhoff. „Ein Risiko muss man immer tragen“, erwidert von Möller scherzhaft und prompt. 

FRIEDEN IN DER FAMILIE
Für Böllhoff sei die Frage zentral, wie der Frieden in der Familie bei der Übergabe an die nächste Generation erhalten werden könne. Von seinen vier Kindern sind mit Wilhelm A. und Michael W. Böllhoff zwei operativ, als vierte Generation, tätig. Bei der Nachfolgefrage habe er sich eng mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau Regina abgestimmt, sie seien sich einig gewesen und hätten im Grunde schon im Kinderzimmer begonnen, das Verhalten ihrer Kinder beim gemeinsamen Spielen zu beobachten — um zu sehen, wer zu wem passen könnte. „Zu viele Familienmitglieder im Unternehmen halte ich für eine Gefahr. Aber ich habe kein Patentrezept“, räumt Böllhoff ein. 

Auch von Möller plädiert für klare Kompetenzen: „Wenn möglich, sollte eine Person aus dem Gesellschafterkreis die Führung übernehmen.“
Goldbeck hat seinen Rückzug aus der Unternehmensleitung rechtzeitig angekündigt: „Ich höre auf mit 68.“ Das war 2007. „Meine Kinder haben gemerkt, dass ich Freude an der Arbeit habe — das wollten sie auch“, erzählt er, „alle drei“. Seine Söhne Jörg-Uwe und Jan-Hendrik leiten das heutige Unternehmen, sein Sohn Joachim sei in der Solarbranche tätig. „Ich habe ein Jahr ganz schön gelitten — wenn sie aus der Geschäftsführung ausscheiden, müssen sie das konsequent machen.“ In gewisser Weise hätte ihn das damals kurz zuvor angetretene Amt des IHK-Präsidenten „gerettet“. 

EHRENAMT VERBINDET
Das Thema Ehrenamt ist ein weiteres verbindendes Element der drei Unternehmer. Alle waren beziehungsweise sind für die IHK Ostwestfalen tätig, Goldbeck und von Möller als Ehrenpräsidenten, Böllhoff lange Jahre als Vizepräsident. Dazu kamen bei Goldbeck weitere Ehrenämter, beispielsweise in der Universitätsgesellschaft oder der Stiftung Bethel, seine eigene Stiftung, von Möller und Böllhoff engagieren sich ebenfalls in eigenen Stiftungen. Für Goldbeck hätten sie als Unternehmer „auch eine gesellschaftliche Verantwortung“, der sie gerecht werden müssten. Von Möller gab dem Publikum mit auf den Weg, sich zu engagieren, „treten Sie in eine Partei ein“. Böllhoff setzte einen leisen Ton: „Ich habe sehr spät erkannt, wie viel Glück ich im Leben hatte und 
wie viele Leute notwendig waren, um das zu schaffen.“ Um der Ungerechtigkeit der Welt zumindest etwas entgegenzusetzen, hätten sie die Wolfgang und Regina Böllhoff Stiftung gegründet, um mit Bildungsprogrammen junge Menschen zu unterstützen. Dafür gab es längeren Applaus aus dem Publikum.

In seiner Begrüßungsrede hatte IHK-­Präsident Jörn Wahl-Schwentker die drei als „Wirtschaftskapitäne“ angekündigt, die „exemplarisch für unternehmerischen Mut, für Weitsicht, für die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und Chancen zu nutzen“ stehen. Stimmt.


Heiko Stoll 

     

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