Im Portrait
Die Schokoladen-Experten
Zu Weihnachten gehören Lebkuchen, Dominosteine und Marzipan. Bei „Schoko Peter“ ist die Auswahl für den bunten Teller groß. Viele Stammkunden kaufen bei Klaus Nagel und Sabine Tholeikis-Nagel für die bevorstehenden Feiertage ein.
Vorstellungen über das Paradies gibt es viele. Für manche umfasst es etwa 20 Quadratmeter und liegt in der Bielefelder Innenstadt, in einem Eckhaus in der Rathausstraße, am Anfang der Fußgängerzone: Schoko Peter. Das auf Schokolade, Pralinen und ausgewähltes Gebäck spezialisierte Fachgeschäft ist einzigartig in Bielefeld, vermutlich auch in der Region. Klaus Nagel und seine Frau Sabine Tholeikis-Nagel stehen hinter der Ladentheke — sie sind die Schokoladen-Experten. „Wir können zu den Produkten beraten, erklären, Fragen beantworten, ins Detail gehen“, unterstreicht das Ehepaar seine Kompetenz.
Schokolade berührt alle Sinne
„Katzenzungen, zwei Packungen“, bestellt eine Kundin, geschätzt über siebzig, bei Sabine Tholeikis-Nagel. Anschließend ist sie noch auf der Suche nach Pralinen mit Walnuss. „Die hat unsere Mutter immer gekauft und wir Kinder durften die Nüsse essen“, erzählt sie. Klaus Nagel füllt vier Vollmilch- und vier Zartbitter-Pralinen in eine Cellophan-Tüte. Der Konditormeister fertigt die Pralinen und Trüffel selbst. Die Frische-Theke sei sein liebster Ort im Ladengeschäft, sagt er. Und auch den Unterschied zwischen Trüffel-Praline und Praline erklärt er geduldig: Es ist die Füllung, nicht die Form. Für Trüffel wird Sahne erhitzt, dann werden die weiteren Zutaten ergänzt. Pralinen kommen ohne Sahne aus. Im Hintergrund läuft leise klassische Musik. Auf dem umlaufenden Regalboden unter der Decke steht neben Werbetafeln auch eine Beethoven-Büste.
Der nächste Kunde, vielleicht Mitte sechzig, lässt sich seine Pralinenmischung zusammenstellen, er ordert 250 Gramm. „Es sind 265 Gramm, ich könnte eine durchbeißen“, scherzt Nagel und der Kunde erwidert, ebenfalls lachend: „Danke, das mache ich selbst.“
Ein Schüler bezahlt zwei Schokokugeln, die er aus der runden Auslage mitten im Geschäft ausgewählt hat.
„Schokolade berührt alle Sinne, sie können sie riechen, schmecken und sehen, die Verpackung ist oft hochwertig. Wir haben es nur mit glücklichen Menschen zu tun“, beschreibt Nagel seine Kundschaft. Seit gut zehn Jahren führt das Ehepaar gemeinsam das Fachgeschäft.
Traditionsgeschäft übernommen
Klaus Nagel hat in der Gemeinschaftskonditorei in Herford-Sundern gearbeitet, in der unter anderem Pralinen, Marzipan, Baumkuchen und andere Leckereien hergestellt werden, die dann über Konditoreien verkauft werden. Außerdem war er mit seiner Handelsagentur selbstständig und kannte deshalb auch Schoko Peter. Als vor rund zehn Jahren die damalige Inhaberin Ilse Laatz einen Nachfolger für ihr Geschäft suchte, griff Nagel zu. Seine Frau, die im medizinischen Bereich gearbeitet hat, war ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit und stieg mit ein in die süße Branche.
Vielfältige auswahl
Von rund 80 Herstellern haben sie Produkte im Sortiment, etwa 30 davon mit einem zusätzlichen Weihnachtsangebot. Und die Auswahl kann sich sehen lassen: Pralinenmischungen von Sawade, Schokolade von Erich Hamann, Meybona und dem französischem Hersteller Bonnat, Marzipan von Niederegger, Karlsbader Opladen, Bremer Kluten, belgische Butterwaffeln oder die „Liegnitzer Bombe“, ein mit Früchten gefüllter Lebkuchen. Die Liste lässt sich problemlos verlängern. „Wir beschäftigen uns nicht mit Produkten, die es in jedem Supermarkt oder am Kiosk gibt“, beschreibt Sabine Tholeikis-Nagel die Philosophie hinter dem Sortiment.
Sie zeigt Adventskalender mit einem Harlekin-Motiv und zieht aufwändig geprägte Blechdosen mit Gebäckmischungen aus dem Regal. Es gebe auch Kunden, die nach der Schokolade mit dem lila Papier fragen würden — denen versucht sie, zumindest eine Alternative anzubieten.
HYPE UM SCHOKOLADENSORTEN
„Früher gab es drei Sorten Schokolade: Vollmilch für die Mutter, Zartbitter für den Vater und Mokka für die Oma. Heute gibt es Bioschokolade, vegane Varianten, mit Chili oder Blütenblättern, die unterschiedlichsten Kakaogehalte“, beschreibt Klaus Nagel den Wandel.
Hypes gebe es viele, aktuell um die Dubai-Schokolade, eine Schokolade mit Pistazienfüllung und durchzogen von Teigfäden, sogenanntem Engelshaar. Momentan erfahre die Kreation viel Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien, auch bei Schoko Peter häuften sich die Anfragen. Ein Mittzwanziger betritt den Laden und holt die vorbestellte Tafel ab und fragt, ob er eine zweite kaufen könne — was ihm freundlich verwehrt wird.
Von der Bohne bis zur Tafel
Eine gute Schokolade müsse in erster Linie den jeweiligen Kundinnen und Kunden gut schmecken, sagt Klaus Nagel. „Manche schwören auf Vollmilch, für die wäre ein Kakaoanteil von 60 Prozent viel zu viel. Andere kaufen nur Tafeln mit 75 Prozent oder mehr Kakao.“
Eine qualitativ hochwertige Schokolade sei eine Schokolade, die „bean-to-bar“, von der „Bohne bis zur Tafel“, hergestellt werde.
„Die Produzenten kaufen die Bohnen direkt in den Anbauländern, rösten, mahlen, conchieren, temperieren und gießen sie und können so die unterschiedlichsten Aromen herauskitzeln.“ Zum Beweis zieht Klaus Nagel eine Tafel aus der Auslage und zeigt auf die sehr kurze Zutatenliste: „Kakao, Kakaobutter und etwas Zucker, keine Emulgatoren oder Zusatzstoffe. Wir bieten Produkte zum Genießen an.“ In der industriellen Schokoladenfertigung käme im Unterschied dazu unter anderem vorgefertigte Kakaomasse zum Einsatz, darunter leide die Geschmacksvielfalt.
Hoher Erinnerungswert
Zum Weihnachtsgeschäft werden drei weitere Regale in den Laden gezirkelt, damit auch noch Dominosteine und Co. entsprechend angeboten werden können. „Eine logistische Herausforderung“, sagt Sabine Tholeikis-Nagel. „Es hätte keinen Sinn ergeben, den Laden bei der Übernahme komplett umzugestalten.“ Die Ladeneinrichtung mit ihren Eichenregalen und den gelben Fliesen gebe es seit rund 50 Jahren. „Die Kunden fühlen sich in die alte Zeit versetzt. Wir haben viele Stammkunden. Manche haben hier schon mit ihren Eltern eingekauft und kommen nun mit ihren Kindern wieder. Der Erinnerungswert ist hoch.“
Heiko Stoll