Ostwestfälische Wirtschaft

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O Du Fröhliche

Die Branche steht unter Druck durch überbordende Bürokratie, fehlendes Personal und verhaltene Konsumstimmung. Dennoch lassen sich die Händlerinnen und Händler nicht unterkriegen – sie setzen auf individuelle Beratung, guten Service und Einkaufen als Erlebnis. "Früher war mehr Lametta", heißt es bei Loriot, und suggeriert damit – verlorengegangene – Besinnlichkeit. Unabhängig davon, wie oder ob überhaupt ein Baum geschmückt wird, steht fest, dass jetzt wieder die geschäftigste Zeit des Jahres für Handel und Gastronomie beginnt. Wie Unternehmer damit umgehen und welche Wünsche sie haben, zeigen fünf Beispiele aus Ostwestfalen.

Es ist einer dieser ohnehin grauen und tristen Herbsttage, zwischendurch gibt es den ein oder anderen Schauer. Vom Parkplatz aus schlängeln sich Besucherinnen und Besucher durch Baustellenabsperrungen, weichen umherliegenden Steinhaufen aus, begleitet vom Wummern der Presslufthammer — 
seit April 2023 ist die Hauptstraße in Bielefeld-Brackwede eine Dauerbaustelle, bereits ab 2022 liefen erste Vorarbeiten. Gemeinsam mit der Stadt Bielefeld modernisiert moBiel die Einkaufsstraße. Gebaut werden drei neue Hochbahnsteige, um die gesetzlich geforderte Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr herzustellen. Zusätzlich werden die Stadtbahn-Gleise für den zukünftigen Einsatz der Vamos-Bahnen angepasst und der Straßenraum mit neuem Pflaster umgestaltet.

KUNDENBINDUNG ERARBEITEN
Auch vor der Buchhandlung Klack steht ein Bagger. Nichtsdestotrotz sind vor dem Schaufenster Ständer mit allerlei Karten aufgestellt, auf Aktionstischen liegen Bücher aus. Im Geschäft begrüßt „Ladenhüter“ George, wie Inhaberin Gina Just ihren Golden Retriever liebevoll nennt, ankommende Kundinnen und Kunden. Direkt am Eingang findet sich ein Tisch mit Adventskalendern, Weihnachtsbüchern sowie Deko und Krimskrams für die Vorweihnachtszeit. Die 41-Jährige ist mit Leib und Seele Buchhändlerin und hat sich hier ihren persönlichen „Wohlfühlraum“ geschaffen. Schon ihre Ausbildung hat Gina Just bei Klack absolviert und den Buchladen Anfang 2018 in dritter Generation von ihrer ehemaligen Chefin Dorothea Potthoff übernommen. „Wir sind eine Institution in Brackwede und haben eine enge und persönliche Bindung zu unseren Kundinnen und Kunden“, sagt Just nicht ohne Stolz.

Dass dem so ist, dafür engagiert sie sich gemeinsam mit ihren vier Mitarbeitenden. „Nur einen Laden zu führen reicht nicht. Als Einzelhändler muss man mehr bieten und sich die Kundenbindung erarbeiten“, ist die umtriebige Unternehmerin überzeugt.

LESUNGEN SIND IHRE LEIDENSCHAFT
Lesungen sind die Leidenschaft von Gina Just — regelmäßig veranstaltet sie Formate wie „Buchgenuss nach Ladenschluss“, wo man abends gemeinsam mit Gleichgesinnten in Ruhe stöbern kann, bei einem Glas Wein und kleinen Häppchen. Bis zu 
65 Menschen finden bei Klack während einer Lesung Platz; bei größerer Teilnehmerzahl weicht Just in die Aula des Brackweder Gymnasiums oder in die Brackweder Scala an der Treppenstraße aus. Dort gibt es rund 120 Plätze sowie eine Bühne und die notwendige Technik. Mit ihren Lesungen trifft die Geschäftsfrau den Nerv ihrer Kunden; fast alle geplanten Veranstaltungen für dieses Jahr sind bereits ausverkauft. So etwa eine Lesung und ein Gespräch mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, der über den Ukrainekrieg und die Rolle unserer Demokratie spricht. Oder die „Ladies Night“ mit Autorin Sabine Bode „Ich will aber Agnetha“ sein. Auch die „Literarischen Häppchen“, bei denen Gina Just und ihr Team Neuerscheinungen präsentieren und Tipps für den Wunschzettel zu Weihnachten geben, kommen gut an beim Publikum.

„BRACKWEDE WIRD AUFGEWERTET“
Gäbe es nicht die Dauerbaustelle auf der Brackweder Hauptstraße, wäre Gina Just wohl rundum zufrieden — doch auch dieser Herausforderung nähert sie sich von der positiven Seite: „Brackwede wird durch die Baumaßnahmen als Standort aufgewertet. Es ist wichtig, den Abwärtstrend mit den Leerständen zu stoppen.“ Natürlich habe auch sie sich Sorgen um ihren Buchladen gemacht und „eine Heidenangst“ gehabt, wie die Kunden reagieren würden. Für sich persönlich habe sie aber beschlossen, mit Optimismus durch diese Zeit zu gehen: „Die Situation ist herausfordernd und kostet viel Kraft. Ist aber keine Katastrophe“, meint Just. Gemeinsam mit ihrem Team habe sie die Not eher zur Tugend gemacht und sich Aktionen einfallen lassen — darunter ein Baustellen-Café, wo Kundinnen Kuchen gebacken hätten, vermehrte Buchgenuss-Abende angeboten oder Flyer mit dem Angebot eines Lieferdienstes verschickt. „Ich bin so manches Mal für meine Haltung angegangen worden. Dennoch denke ich, dass man mit einer positiven Einstellung besser durch eine solche Zeit kommt. Seitens der Kundschaft haben wir viel Unterstützung erfahren. Man würde diese doch vergraulen, wenn man als Inhaber nur meckert. Ich möchte, dass meine Kunden mit einem guten Gefühl aus dem Laden herausgehen.“

BAUSTELLE BIS MAI 2025 VERLÄNGERT
Die Nachricht, dass die Baustelle bis Mai 2025 verlängert wird — die ursprüngliche Fertigstellung war für Ende November geplant — habe auch sie überrascht: „Ich habe es aus dem Radio erfahren, erst nachmittags sind wir Händler von der Stadt Bielefeld darüber informiert worden“, sagt die Buchhändlerin enttäuscht. Den Informationsfluss seitens der ausführenden Baufirma aber lobt Just ausdrücklich. Trotz all der Unwägbarkeiten schaut die Unternehmerin weiter nach vorn: „Die Hauptstraße hat ein großes Einzugsgebiet und viele identifizieren sich mit diesem Stadtteil. Auch mag ich das mulitkulturelle Leben hier.“

NEUE RÄUMLICHKEITEN
Es gibt noch eine weitere Baustelle im Leben von Gina Just, die ihr — allen Turbulenzen zum Trotz — viel Freude bereitet. Anfang Januar eröffnet die Buchhandlung Klack neue Räumlichkeiten gegenüber der Sparkasse. Der Umzug sei eher dem Zufall geschuldet: „Die derzeitige Immobilie soll 
mittelfristig veräußert werden. Quasi parallel zu dieser Nachricht hat mich eine gute Kundin gefragt, ob ich Interesse an ihrem Ladenlokal hätte. Zuvor 
war da eine Wäscherei. Nach reiflicher Überlegung habe ich das Angebot angenommen.“ Eine gewisse Aufregung schwingt mit, wenn Just von der neuen Einrichtung spricht: „Wir setzen auf neue Farben. So wird das Logo demnächst pastell-türkis sein und dezentes lichtgrau-anthrazit für Ruhe sorgen; als Kontrast zu den bunten Büchern.“ Bleiben wird auf jeden Fall die Beratung, denn auch wenn sich das Leseverhalten durch E-Reader verändert habe, beobachtet Just eine Rückentwicklung: „Inzwischen sind E-Books eher eine Ergänzung, die Menschen nehmen gerne wieder ein haptisches Buch in die Hand. Auch die Verlage setzen wieder auf eine opulentere Ausgestaltung.“ Auch gebe es einen neuen Markt für Bücher in einfacher Sprache, da viele Menschen ohne Deutsch als Muttersprache Schwierigkeiten hätten, Bücher zu lesen. Zudem freut sich die Buchhändlerin über den Trend auf TikTok, wo junge Frauen sich gegenseitig Bücher empfehlen. 

BUCHTIPP FÜR WEIHNACHTEN
Gina Just wäre nicht Gina Just, wenn sie nicht — passend zur Weihnachtszeit — noch einen Buchtipp parat hätte: „Mir gefällt das neue Buch von Jan Weiler, ‚Munk‘, sehr gut. Es handelt von einem 51-jährigen Architekten, der erfolgreich, aber allein dasteht. Dann erleidet er in einem Kaufhaus einen Herzinfarkt und muss sein hektisches Leben umstellen. Er beginnt zu reflektieren und arbeitet sich dabei an seinen verflossenen Beziehungen ab. Der Roman hat Witz und man kann ihn breit verschenken.“ Ihr persönlicher Wunsch zu Weihnachten ist jedoch ein anderer: „Hinter mir liegen turbulente Zeiten und ich freue mich, wenn der Ausnahmezustand endlich beendet ist. Dann kann ich mich voll und ganz auf meinen neuen Laden konzentrieren.“ 

AUSZEIT GESTALTEN
„Wir sorgen für weihnachtliche Stimmung, decken die Tische festlich ein, zünden ein Lichtermeer an. Unsere ländliche Lage hilft dabei, dass unsere Gäste aus der Stadt schon auf dem Weg zu uns ein wenig runterkommen“, sagt Ingo Seidensticker. Er steht in der dritten Generation am Herd des Hotel-Restaurants Germanenhof in Steinheim-Sandebeck, 800 Einwohner, tiefster Kreis Höxter.

„Weihnachten ist für uns ein gutes Geschäft, ich gehe positiv an die Zeit heran.“

Seine Ausgangslage beschreibt er auch deshalb als positiv, weil er gutes Personal in der Küche und im Service habe. „In der Weihnachtszeit ist jeder gestresst, da möchten die Gäste im Restaurant zur Ruhe kommen. Unsere Servicekräfte spielen dabei eine wichtige Rolle.“ So werde beispielsweise die Gans am Tisch tranchiert. Zusätzlich zum „Showeffekt“ mache dies auch den Mitarbeitenden Spaß, könnten sie so doch ihr Können unter Beweis stellen, kämen mit den Gästen ins Gespräch und sorgten auch so für eine entspannte Stimmung. Sein Team besteht aus 30 Mitarbeitenden, davon neun Azubis, vier in der Küche, fünf im Service.

BUCHUNGSVERHALTEN VERBESSERT
Das Buchungsverhalten seiner Gäste habe sich seit der Corona-Pandemie sogar etwas verbessert. „Die Wertschätzung für die Gastronomie ist wieder höher geworden“, sagt der Inhaber, der zusätzlich zum Restaurant auch noch das Hotel betreibt. In der Gastronomie werde vermehrt ab September für die Feiertage gebucht. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag biete der Germanenhof „ein sehr üppiges Lunchbuffet“ an, das inklusive Getränke pauschal verkauft werde. Rund 700 Gäste begrüße das Team an beiden Tagen insgesamt. Vor der Corona-Pandemie habe die Ausfallquote zehn Prozent betragen. Mittlerweile werde mit Vorkasse gearbeitet, Anfang Dezember werden die Rechnungen verschickt. Stornieren sei bis eine Woche vorher möglich. „Wir sind strikter geworden“, räumt Seidensticker ein, „zu Beginn mussten die Gäste umdenken. Aus meiner Erfahrung läuft es aber gut. Wir wollen keinen Gast vergraulen, dennoch sind wir auch Wirtschaftsunternehmen und müssen Ware einkaufen.“ Eine „No-show-Quote“ von zehn Prozent bedeute bei 700 Gästen 70 Personen. „Das ist umgerechnet ein eigenes Buffet, das dann weggeschmissen werden müsste.“

GEMEINSAM ZEIT VERBRINGEN
Von der Politik wünscht sich der Koch und passionierte Jäger einheitliche Steuertarife beim Inhaus- und Außerhausverkauf. „Warum wird ein Kaffee anders besteuert als ein Milchkaffee?“, fragt er rhetorisch. Außerdem sollten die unteren Lohngruppen, die in der Gastronomie auch eine Rolle spielen, von Steuern und Abgaben entlastet werden. Bleibt noch die Frage, was bei ihm Weihnachten auf den Teller kommt. „In der Vorweihnachtszeit gibt es viel Arbeit, die Zeit für die Familie ist knapp. Heiligabend haben wir geschlossen. Dann bereiten wir für uns schöne Dinge zu und schauen, dass wir möglichst lange Zeit gemeinsam am Tisch verbringen.“

HERAUSFORDERUNGEN MIT 
ZUVERSICHT BEGEGNEN
Seit 150 Jahren prägt der Name Klingenthal den Mode- und Textileinzelhandel in der Region. Aus einem kleinen Laden wurde eine Unternehmensgruppe, die heute von Ferdinand Klingenthal und seinem Sohn Franz geführt wird. Trotz des runden Jubiläums in diesem Jahr ist den beiden — angesichts der herausfordernden Zeiten für den Einzelhandel — nicht nach unbeschwertem Feiern zumute. „Wir erleben gerade eine äußerst bewegte und bewegende Zeit. Die wirtschaftliche Krise vom Ende des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends war gerade bewältigt, da hat die Corona-Pandemie uns einen kompletten Stillstand beschert. Dann leuchtete Licht am Ende des Tunnels, aber mit dem Ukraine-Krieg folgte direkt die nächste Katastrophe, die bis heute an­hält. Als Einzelhändler wurden und werden wir arg durchgeschüttelt. Aber wir begegnen den Herausforderungen voller Zuversicht und sehen uns gut aufgestellt“, resümiert Ferdinand Klingenthal.

GEMEINSAM WACHSEN NEUE IDEEN
Auch Franz Klingenthal blickt trotz der schwierigen Rahmenbedingungen positiv in die Zukunft: „Dem Einzelhandel wird nachgesagt, dass er ohnehin andauernd klage. Ich sehe aber die hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Unternehmen, die sich jeden Tag aufs Neue in den Dienst unserer Kundschaft stellen. In vielen Gesprächen wachsen neue Ideen und gemeinsam haben wir einige Aktionen zum Jubiläum auf die Beine gestellt und wollen gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden feiern.“ Ferdinand Klingenthal gilt als wacher Kritiker, der schon das ein oder andere Mal öffentlich seinen Unmut ausgedrückt hat. Er verrät, wo der Schuh im Einzelhandel am meisten drückt: „In den vergangenen Jahren sind durch die Politik auf allen Ebenen Entscheidungen getroffen worden, die zu Lasten des stationären und inhabergeführten Einzelhandels gingen und gehen. Ein deutliches Beispiel sind die auch aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbaren Einschränkungen während der Corona-Pandemie, die uns und unsere Mitarbeitenden viel Kraft gekostet haben. Und heute wissen wir, dass seit der Zeit manche Handelsunternehmen vom Markt verschwunden sind“, erklärt Ferdinand Klingenthal. Und er nennt ein weiteres Beispiel: 
„Wir befinden uns in einer Zeit der kritischen Überprüfung des Mobilitätsverhaltens. Diese Diskussion ist richtig und wichtig. Das Hauptziel darf dabei aber nicht sein, die Autos aus dem städtischen Gepräge zu verbannen. Für uns ist es außerdem wichtig, dass der innerstädtische Facheinzelhandel von Politik und Verwaltung wertgeschätzt wird. Wir brauchen vor allem in unsicheren Zeiten verlässliche Rahmenbedingungen. Hier ist die Bundespolitik ebenso gefordert wie die Lokalpolitik.“

NEUES QUARTIER TRÄGT ERSTE FRÜCHTE
Wie in vielen anderen Städten, hat sich auch in Paderborn in den vergangenen Jahres einiges verändert. So auch rund um das Textilhaus Klingenthal: „Für uns war die Neuentwicklung des Quartiers mit den Königsplätzen im Mittelpunkt eine wichtige städtische Weichenstellung, die nun erste Früchte trägt. Die langjährigen Baustellen haben den Einzelhandel und die Gastronomie zwischen Friedrichstraße und Marienplatz enorm beeinträchtigt und nicht alle haben diese schwierige Phase überstanden. Verglichen mit der vorherigen Situation hat das Quartier aber stark gewonnen und Gäste aus anderen Städten beneiden uns um die hohe Qualität der Ausführung, auch wenn es hier und da sicher Kritikpunkte gibt“, sagt Franz Klingenthal.

So sei das Ende des Dany-Partner-Kaufhauses seinerzeit ein Meilenstein gewesen: „Die Folgenutzung zunächst als Karstadt Sport und Technik und später als Karstadt-Schnäppchenmarkt haben wir beobachtet. Wir konnten das Gebäude zwischenzeitlich erwerben und haben hier mit dem Stadtcampus der Universität Paderborn ein bundesweit beachtetes Vorzeigeprojekt realisiert. TK Maxx ist ein wichtiger Mieter, der an dieser Stelle Frequenz bringt. Ganz wichtig für uns und die Innenstadt insgesamt war die Eröffnung des Rewe-Marktes in diesem Jahr. Das war uns ein Herzensanliegen und wertet das Areal weiter auf. Und mit dem Blick auf die Alte Torgasse und die Brückengasse ist die Entwicklung längst nicht abgeschlossen. Hier gewinnt die City weiter und wir freuen uns darüber, dass wir daran teilhaben dürfen“, ordnet Klingenthal die Lage ein.

NOCH FLEXIBLER SEIN
Dass der Textilhandel in den vergangenen Monaten stark unter Druck geraten ist und etablierte Modemarken vom Markt verschwinden könnten, ist eine Entwicklung, die die Klingenthals mit Sorge verfolgen. Auch, dass Warenhäuser als aus der Mode gekommenes Modell gelten und Standorte schließen müssen — so hat Paderborn etwa Galeria Kaufhof verloren. Ferdinand Klingenthal: 
„Wir beobachten diese Entwicklung natürlich. Das Phänomen des Marken-Sterbens ist nicht neu, aber die aktuelle Dynamik lässt aufhorchen. 
Als Händler sind wir, was die Marken in unserem Sortiment angeht, breit aufgestellt, was uns eine gewisse Marktresilienz verschafft. Die jüngsten Krisen haben uns gelehrt, noch flexibler zu sein und stets mit wachen Augen die weltweite Entwicklung zu verfolgen. Mit einem professionellen Team im Hintergrund und vor allem durch unser konsequentes Konzept der Beratung unserer Kundinnen und Kunden können wir jedoch optimistisch in die Zukunft schauen.“

LANGFRISTIGES AGIEREN IST WICHTIG
Sein Sohn Franz Klingenthal nennt einen weiteren Aspekt, um im Einzelhandel gut für die Zukunft aufgestellt zu sein: „Das mittel- oder sogar langfristige Agieren ist wichtig. Hier können und müssen Familienunternehmen anders handeln als fremdgesteuerte Konzerne. Für uns bedeutet es zum Beispiel auch, rechtzeitig und möglichst einvernehmlich die Frage der Nachfolge zu regeln. Dies haben wir in unseren Gesellschafterfamilien gemeinschaftlich auf den Weg gebracht. Wir konnten den Generationswechsel somit rechtzeitig einleiten und alle Gesellschafter tragen diese Lösung mit. Das gibt uns, aber auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, eine gewisse Sicherheit. Wir entwickeln uns gemeinsam weiter und sichern so langfristig den Unternehmenserfolg.“

WEIHNACHTSZEIT WICHTIG FÜR 
ERFOLGREICHEN GESCHÄFTSABSCHLUSS
Wie wichtig eine solche Art der Eigeninitiative ist, betont Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), mit Sitz in Berlin: „Wenn der Einkauf zum Erlebnis wird, verbringen die Menschen ihre Zeit gern in unseren Innenstädten und Geschäften. Händlerinnen und Händler können beispielsweise mit einer besonderen Laden- oder Schaufenstergestaltung herausstechen und ihre Kundschaft immer wieder mit attraktivem Sortiment, gutem Service und auch mit digitalen Angeboten überzeugen. Ein Patentrezept gibt es hierbei nicht, weder für die perfekte Innenstadt noch für das perfekte Ladengeschäft. Es gilt vielmehr, das richtige Einkaufserlebnis für die jeweilige Zielgruppe zu schaffen.“ Genth unterstreicht, dass der Einzelhandel in den Monaten November und Dezember knapp 20 Prozent des Jahresumsatzes erwirtschaftet. „Im Schmuck-, Buch-, Spielwaren- und Elektronikhandel ist der Anteil sogar noch größer, hier macht das Weihnachtsgeschäft fast 
ein Viertel des Jahresumsatzes aus. Die Adventswochen und der Jahreswechsel sind daher entscheidend für einen erfolgreichen Abschluss des Geschäftsjahres“, so der gebürtige Bielefelder (Interview siehe auf Seite 32).

KUNDEN FAHREN FÜR BERATUNG
Catharina Schorcht blickt „sehr zuversichtlich“ auf das anlaufende Weihnachtsgeschäft. Die ausgebildete Fotografin und Diplom-Kauffrau leitet das familieneigene Unternehmen „Foto Schorcht fototronic GmbH“ in der dritten Generation. Allerdings, eine Einschränkung nimmt sie vor: „Das Foto-Hobby ist vom Weihnachtsgeschäft entkoppelt. Kameras oder Zubehör werden nach Bedarf gekauft, wenn ein Familienfest ansteht oder eine Reise geplant ist“, beschreibt sie einen Teil ihrer Kundschaft. Dann gibt es noch Geschenkartikel, die speziell zu Weihnachten nachgefragt werden, und von denen sie sich „einen entsprechenden Absatz erwartet“: Bilderrahmen, das Familienfoto, das verschenkt werden soll, Glasbilder in 3D. Auch mit „last minute“-Geschenken könne sie dienen, wenn noch ein aktuelles Porträt fotografiert werden soll.
Dabei unterscheide sich das Kundenverhalten nicht von Standort zu Standort — mit insgesamt fünf Fachgeschäften in Gütersloh, Wiedenbrück, Warendorf und Oelde bietet Schorcht alles rund um das Thema Fotografie an. „Der Standort ist eher unwichtig geworden. Die Kunden sind bereit, zu fahren, manche sogar über 100 Kilometer. Qualitative Fotosysteme benötigen intensive Beratung, die werden nicht von der Palette gekauft.“

KOSTENLOS PARKEN ZUR WEIHNACHTSZEIT
Dass sie trotz eigenem Online-Handel stationär noch stärker aufgestellt sei, liege an der Firmenphilosophie, die stark auf Beratung setze. 25 Mitarbeitende beschäftigt die Familienunternehmerin, darunter zwei Auszubildende zu Kaufleuten im Einzelhandel. Kritisch sieht Schorcht die Entwicklung in den Innenstädten allgemein. „In Ostwestfalen sind es die Leute gewohnt, mit dem Auto sprichwörtlich in den Laden hineinzufahren. Da sind Diskussionen über höhere Parkgebühren natürlich ärgerlich. Mein Wunsch wäre es, dass Kunden in der Weihnachtszeit kostenlos parken könnten.“

Grundsätzlich finde sie es im positiven Sinn mutig, wenn Leute heute noch im Einzelhandel starten. Und gleichzeitig nennt sie zwei Geschäfte in Gütersloh — „Wolpertinger — Der Spieleladen“ und „Feine Dinge“ — die aus ihrer Sicht für diesen Mut stehen. „Das individuelle, inhabergeführte Geschäft macht den Reiz für Kunden aus, sich auf den Weg zu machen. Deshalb bin ich in puncto Handel immer noch sehr zuversichtlich gestimmt.“

MAGISCHE GONDELREISE ZUM NORDPOL
Zum Weihnachtsmann fliegen? Im Bielefelder Einkaufscenter LOOM wird das ab Ende November möglich sein. Dann können große und kleine Besucher — 
mittels einer verzauberten Wintergondel — virtuell zum Nordpol reisen. „Wir holen den Weihnachtszauber nach Bielefeld“, freut sich Centermanagerin Saskia Twardawsky, die seit Anfang dieses Jahres die Shopping-Mall leitet. Möglich wird die Aktion durch eine gemeinsame Kooperation mit den Stadtwerken Bielefeld und dem Stadtwerke-Club: „Wir sind eine lokale Kooperation eingegangen, um unseren Kundinnen und Kunden diese magische Gondelreise anzubieten. Gerade im stationären Handel ist es wichtig, die Menschen durch Erlebnisse abzuholen und die Vorweihnachtszeit ist ideal dafür“, weiß die Handelsexpertin. Die magische Gondel, die im vergangenen Jahr erstmals im ECE Alstertal in Hamburg eingesetzt wurde, biete eine ganz besondere Erfahrung — am Nordpol angekommen, könnten die Kinder den Weihnachtsmann besuchen, ein Erinnerungsfoto machen und sich über eine kleine Überraschung freuen. Zudem werde das LOOM wieder in weihnachtlichem Ambiente erstrahlen und festlich dekoriert. Geplant ist auch ein Geschenk-Einpack-Service. „Das sind Dinge, die uns vom Shoppen per Klick abheben und die online nicht angeboten werden“, setzt Twardawsky auf eine klassische Ansprache der Kundinnen und Kunden.

VERÄNDERTES KUNDENVERHALTEN
Wochentags strömen rund 30.000 Menschen in das Einkaufszentrum, an den Wochenenden sind es 45.000 bis 55.000. „Die Frequenzen in der Innenstadt sind derzeit sehr gut, über die Gründe kann man aber nur spekulieren“, erklärt Twardawsky. Die Kunden von heute seien schnelllebig unterwegs, zudem gebe es deutschlandweit einen neuen Trend: „Viele Menschen gehen inzwischen seltener als früher in die Innenstadt, aber wenn sie sich auf den Weg machen, meist mit einer klaren Kaufabsicht. Die Zeit wird kostbarer“, beschreibt sie die Entwicklung. Mit über 100 Geschäften für Fashion, Schmuck, Spielzeug, Kosmetik, Bücher und vielem mehr sowie Lebensmittelanbietern und vielfältiger Gastronomie bereichert das LOOM-Einkaufszentrum mittlerweile seit sieben Jahren die Einzelhandelslandschaft in Bielefeld. In den vergangenen Monaten habe es einige Änderungen im Center gegeben — während die Shops von „Kult“ und „JD Sports“ ihre Flächen erweitert hätten, sei „Camp David“ in einen neuen Store umgezogen und mit dem „Haus des Döners“ ein neues gastronomisches Angebot verfügbar. Besonders stolz ist die Centermanagerin über den Abschluss mit der Marke „ONLY“, die im Sommer 2025 auf deutlich größerer Fläche eröffnet und die ehemaligen Shops von „Tally Weijl“, „Nordsee“, „Kult“ sowie umliegende Flächen nutzen wird. „ONLY eröffnet seinen weltweit größten Store bei uns im LOOM, auf 2.000 Quadratmetern, darüber freue ich mich sehr. Zudem konnten wir mit den bereits genannten Stores die Mietverträge verlängern.“ Mit „SK Khan“ hat kürzlich ein weiterer Modeanbieter im Erdgeschoss eröffnet, ins Untergeschoss werde ein weiterer Lebensmittelanbieter das Sortiment erweitern, zudem ziehe das Friseurgeschäft „SuperCut“ ins 1. OG um.

„SOKO INNENSTADT“ FÜR SICHERHEIT
Dass die Entwicklung in der Stresemannstraße in unmittelbarer Nähe zur Stadtbahn als Treffpunkt unterschiedlichster Gruppen wenig einladend wirkt, ist Twardawsky bewusst. Sie spricht von „einer herausfordernden Situation“. Positiv bewertet die Centermanagerin daher den Entschluss der Stadt Bielefeld, die „Soko Innenstadt“ einzurichten.

13 Frauen und Männer sollen den Schwerpunkt ihrer Präsenz auf die Innenstadt legen und das Gefühl von Sicherheit vermitteln: „Ich habe die Hoffnung, dass sich hierdurch etwas in die richtige Richtung verändert.“ Insgesamt betrachtet habe das LOOM aus ihrer Sicht aber einen guten Standort: „Wir sind das einzige Shoppingcenter in der Stadt und in der Region, gut erreichbar und auch optisch sticht das LOOM, im Vergleich mit ähnlichen Centern, hervor. Die Coronazeit hat die Entwicklung des LOOMs ausgebremst, aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, den dadurch noch vorhandenen Leerstand abzubauen“, betont die gebürtige Oldenburgerin.

Die generelle Situation in der Bielefelder Bahnhofstraße sieht Twardawsky nicht so kritisch wie sie oft „herbeigeredet“ werde: „Durch Aktionen wie ‚Heimatshoppen‘ haben wir gezeigt, dass wir als Kaufleute zusammenstehen, egal ob Altstadt, LOOM oder Einzelhändler in der Bahnhofstraße. Ich halte es da mit dem Sprichwort ‚steter Tropfen höhlt den Stein‘. Gemeinsam müssen wir zeigen, wie wichtig der stationäre Einzelhandel für die Innenstädte ist.“ 
Auch dürfe man nicht vergessen, dass Bielefeld eine Großstadt sei und damit Veränderungen einhergingen. „Das Bummel-Feeling in der Altstadt ist ein anderes als in der Bahnhofstraße, aber auch da wird durch atmosphärische Beleuchtung, mehr Sitzgelegenheiten und Bepflanzung einiges getan. Unbestritten ist, dass die Bahnhofstraße kein architektonisches Highlight ist und nicht durch ihre Aufenthaltsqualität punktet, aber sie funktioniert durch ihr Angebot. Darum bin ich persönlich auch sehr froh, dass es mit SINN eine Nachnutzung im ehemaligen Karstadt-Gebäude gibt. Alles ist besser als Leerstand. Man müsste das Gebäude äußerlich aufbereiten und eine soziale Nutzung sowie ein Hotel könnte ich mir dort gut vorstellen“, greift Twardawsky mögliche Perspektiven auf.

Ob Sie einen persönlichen Wunsch zur Weihnachtszeit hat? „Ja“, sagt die Centermanagerin: „Ich würde mir wünschen, dass die Baustellen-Situation rund ums LOOM schnell endet. Dadurch, dass an allen Straßen gleichzeitig gebaut wird, gibt es häufig Rückstaus bis in unsere Parkspirale hinein. Vielleicht könnte man da in der Zukunft mit mehr Weitsicht planen. Die Situation ist ernüchternd. Das können wir Händler in der jetzt beginnenden Vorweihnachtszeit nicht gebrauchen und nur hoffen, dass die Baustellen wie versprochen bis Mitte November verschwunden sein werden.“

Silke Goller, Heiko Stoll

     

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