Politik und Standort
Wirtschaftlich attraktive Betriebe sind beliebt
In den kommenden zehn Jahren steht die Wirtschaft in Ostwestfalen vor einem gewaltigen Umbruch: In knapp der Hälfte (48 Prozent) aller in der Region ansässigen Familienunternehmen sind die Inhaberinnen und Inhaber älter als 55 Jahre. Bis 2033 planen die meisten von ihnen in den Ruhestand zu wechseln. Konkret geht es um rund 29.000 Unternehmen mit 181.000 Beschäftigten. Das geht aus einer aktuellen Studie der IHK NRW hervor, der Landesgemeinschaft der 16 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein Westfalen.
Im Vergleich zu einer Studie von vor fünf Jahren ist die Anzahl der betroffenen Betriebe, die in das Zehn--Jahres-Zeitfenster fallen, um 15 Prozent gestiegen. Ursache hierfür ist die demografische Entwicklung: Dadurch, dass für immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Generation der Babyboomer der Ruhestand näher rückt, wird in diesen Betrieben in den kommenden Jahren immer häufiger die Zukunftsfrage zu klären sein. Eine steigende Anzahl von Unternehmensübergaben wird dabei auf potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger aus geburtenschwächeren Jahrgängen treffen. Erschwerend kommt hinzu, dass Nachfolgelösungen innerhalb der Familien rückläufig sind, so dass der Bedarf nach externen Modellen steigen wird. Das hat eine regionale Unternehmensbefragung der IHK Ostwestfalen aus diesem Jahr ergeben. Die Suche nach Wegen zur Zukunftssicherung der Unternehmen und der Arbeitsplätze dürfte durch die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusätzlich erschwert werden.
Der IHK NRW-Studie nach hat in den vergangenen Jahren allein der Anteil der 60-Jährigen und älteren Selbstständigen an den Selbstständigen insgesamt deutlich (um fast 30 Prozent) zugenommen. In dieser Altersgruppe dürfte der Zeithorizont für den überwiegend altersbedingten Rückzug deutlich kürzer sein. Die Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum von 2024 bis 2028 etwa 18.600 Unternehmerinnen und Unternehmer einen Rückzug aus der Unternehmensführung anstreben. Zwei Drittel der insgesamt betroffenen Betriebe mit rund 111.000 Arbeitsplätzen stehen damit bereits kurz- und mittelfristig vor der Herausforderung, eine Lösung für den Fortbestand des Unternehmens zu finden. Denn wie eine aktuelle Unternehmensbefragung der IHK Ostwestfalen zeigt, empfinden viele Unternehmerinnen und Unternehmer das 65. Lebensjahr als Marke für Veränderungen.
FAMILIENUNTERNEHMEN SIND STÄRKE
Dass der Führungswechsel in den Unternehmen erfolgreich gestaltet wird, ist für die Betroffenen selbst – aber auch für den Wirtschaftsstandort insgesamt – von großer Bedeutung. Denn eine der Stärken Ostwestfalens sind die zahlreichen inhaberinnen- und inhabergeführten Familienunternehmen. Das Fundament für den Fortbestand und die Weiterentwicklung von Werten, die unter hohen persönlichen Einsatz aller beteiligten Akteure langfristig erschaffen wurden, ist ein gut vorbereiteter Übergang in der Unternehmensführung.
Ob sich eine Nachfolgeregelung im Einzelfall erfolgreich realisieren lässt, hängt von verschiedenen Faktoren ab – entscheidend ist, dass ein Unternehmen aus der Sicht einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers wirtschaftlich ausreichend attraktiv ist. Nach Berechnungen der IHK NRW-Studie trifft dies in den kommenden fünf Jahren in Ostwestfalen auf 4.400 Unternehmen mit rund 75.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen zu. Die auf zehn Jahre angelegten Schätzungen liegen bei 7.000 Unternehmen mit 120.500 Arbeitsplätzen. Während die wirtschaftlich leistungsstärkeren Unternehmen im Durchschnitt rund 17 Beschäftigte haben, liegt die Beschäftigtenzahl bei den Unternehmen, die unterhalb der zur Berechnung angenommen wirtschaftlichen Grenzwerte liegen, bei durchschnittlich 2,5. Der Studie nach werden es zahlreiche ertragsschwächere Kleinstbetriebe sehr schwer haben, die Nachfolge zu regeln.
STRATEGISCHE WEICHEN STELLEN
Die Erfolgschancen von Übergaben hängen ganz entscheidend davon ab, wie wirtschaftlich attraktiv ein Unternehmen aufgestellt ist und wie gut die Zukunftsperspektiven sind. Mit dem wirtschaftlichen Wandel Schritt zu halten, wichtige strategische Weichen zu stellen und die erforderlichen Investitionen zu tätigen sind wichtige Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Fortführung durch die nächste Generation. Die Nachfolgeregelung ist also mit Weitblick und rechtzeitig anzugehen. Sie kann zudem vor dem Hintergrund der beiden Megatrends Digitalisierung und Transformation zur Nachhaltigkeit eine große Chance für alle beteiligten Akteure sein.
Thomas Mikulsky, IHK