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Im Porträt

Der Gestalter

Mit seinem Druck- und Medienunternehmen behauptet sich Stefan Mail in der Nische des Etikettendrucks. Das Familienunternehmen produziert komplett klimaneutral.

Im Grunde genommen ist es eine Art Puzzle, mit dem sich Stefan Mail in seinem Berufsalltag beschäftigt. Der Inhaber von „Mail Druck und Medien“ aus Bünde hat sich auf die Produktion von Etiketten spezialisiert – im Rollendigitaldruck. Um die Etiketten zu stanzen, kommt ein selbst entwickeltes Laserschneidverfahren statt der sonst üblichen Stanzwerkzeuge zum Einsatz. Dies ermöglicht es, unterschiedliche Etikettenformate von verschiedenen Kunden auf einer Druckbahn zu positionieren. „Ich finde Drucken toll – aber anders als die Anderen“, beschreibt Mail seine Motivation, und: „Mir sind ressourcen- und umweltschonende Produktionsprozesse und eine nachhaltige Materialauswahl sehr wichtig. Der Umwelt zuliebe.“

 „DRUCK-GEN“ LIEGT IN DER FAMILIE

Der jetzige Firmenchef ist 1969 in eine Druckerei-Familie hineingeboren worden, er repräsentiert mittlerweile die vierte Generation. Das Unternehmen wurde 1934 von seinem Urgroßvater Joseph Mail und dessen Sohn Albert gegründet, klassisch als Buchdruckerei mit Vorstufe im Bleisatzverfahren. Sein Vater Joachim übernahm 1979 die Leitung, verabschiedete sich vom Buchdruck, sattelte auf das Offsetverfahren um und führte parallel den Fotosatz ein. 1986 startete Stefan Mail mit seiner Ausbildung zum Druckformenhersteller – dem heutigen Mediengestalter Digital und Print – im elterlichen Betrieb. „Aus Konkurrenzgründen habe ich damals keinen anderen Ausbildungsbetrieb gefunden.“ Außerdem schloss Mail eine Ausbildung zum Industriekaufmann ab und qualifizierte sich zum „Betriebswirt Druck“ an der Fachhochschule im baden-württembergischen Biberach. „Ich habe Glück gehabt“, beschreibt er rückblickend die Zusammenarbeit mit seinem Vater. „Er hat mich schon früh ‚machen lassen‘. Es war mutig von ihm, dass er das zugelassen hat. Wir haben uns 25 Jahre in einem Büro gegenübergesessen und hatten nie Streit.“ Heute wird Stefan Mail in der Geschäftsführung von seiner Frau Cornelia unterstützt. Mit Sohn Tobias ist die fünfte Generation angekommen. „Er wollte unbedingt ins Unternehmen, er hat auch Lust dazu“, freut sich Mail.

Auf Stefan Mails Initiative hin wurde 1993 die erste Digitaldruck-Maschine angeschafft, 1997 dann eine Rollendigitaldruck-Maschine aufgestellt. Auf der – weltweiten – Suche nach einem Anbieter für das Laserschneidverfahren wurde Mail bei einem Anlagenbauer im benachbarten Lage fündig. Herausfordernd sei die Steuerung der Maschine gewesen. „Ich habe sie selbst programmieren lassen. Nur knapp ein Jahr hat diese bahnbrechende Entwicklung gedauert.“ Gefördert wurde dies von der AiF, der „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen ‚Otto von Guericke‘“. „Jetzt sind wir Exot“, habe er damals gedacht – und musste seinen Mitarbeitenden die Sorge nehmen, dass sie durch die neue Technologie überflüssig würden.

Im Jahr 2009 brachte Mail „Das grüne Etikett“ auf den Markt, das nach seinen Worten erste Etikett, das komplett digital produziert werden konnte: ohne Chemie, ohne Stanzwerkzeuge, mit geringen Rüstzeiten an der Maschine. „Es war zu dem Zeitpunkt uninteressant. Wir waren Pioniere und der Zeit einfach voraus.“ Beim Rundgang durch die Mailsche Druckerei fällt auf, dass der typische Farb- und Papiergeruch im Drucksaal fehlt. 

DIGITALER WORKFLOW ALS ERFOLGSREZEPT

Die nächste radikale Umstellung im Unternehmen erfolgte 2014: Die Bogenoffset- und Falzmaschinen wurden verkauft und in neue Rollendigital- und Laserschneidanlagen investiert. „Der Kern des Ganzen, warum es funktioniert, ist der digitale Workflow. Die Daten laufen digital ein, werden automatisch geprüft, korrigiert und kategorisiert.“ In einem Pool würden Aufträge gebündelt und zu Sammelbahnen zusammengestellt – das besagte Puzzle. Aufträge dazu kämen über Druckshops europaweit. Durch das digitale Verfahren ließen sich auch 100 Etiketten – oder sogar weniger – wirtschaftlich produzieren. Die eigene Entwicklung habe insgesamt zehn Jahre gedauert, bis 2019, erst dann passte das Ergebnis.

Zu seinen weiteren Kunden zählt Mail Firmen aus der Chemie-, Lebensmittel- und der regional noch stark vertretenen Tabakwarenindustrie. Auch Anbieter aus der Bio-Welt würden ihn beauftragen, nutzten sie doch lebensmittelechte Farbe für den Laserdruck. „Vor zehn Jahren haben wir mit 20 Mitarbeitenden 4.500 Aufträge pro Jahr bearbeitet. Das war branchenüblich für die Größe. Heute, ebenfalls mit 20 Mitarbeitenden, sind es 80.000 Aufträge.“ Den Jahresumsatz beziffert Mail auf rund 2,2 Millionen Euro. Ablehnen würde er Aufträge, bei denen PVC-Etiketten bedruckt werden sollen. „Das Material ist absolut nicht umweltfreundlich und beim Lasern würde Salzsäure entstehen. Mittlerweile werden wir dazu auch nicht mehr angefragt.“

Als nächsten Schritt bietet Mail die digitale, voll automatisierte Veredelung der Etiketten an. „Wir können dann ohne Werkzeuge folieren. Eine Weltneuheit“, freut er sich auf die Maschine, für die extra umgebaut wurde.

FREIWILLIGE NACHHALTIGKEITSBERICHTERSTATTUNG

Dass ihm der Umweltaspekt wichtig ist, zeigt sich zusätzlich zur chemie- und stanzwerkzeugfreien Produktion auch bei der Auswahl der Trägerpapiere. Sogar ein Material aus Agrarrohstoffen gebe es. Außerdem liege die Recycling-Quote in der Papierindustrie bei fast 84 Prozent. Mail wehrt sich gegen die von Umweltverbänden erhobene Behauptung, dass für die Papierproduktion Naturwälder gerodet werden: „Das ist gelogen.“ 

Auch im Privaten achte der Sporttaucher auf Nachhaltigkeit, aber im Unternehmen „kann ich am meisten bewirken“. Zum Einsatz kämen Recyclingpapiere, auch die Kunststoff-Etiketten bestünden aus Rezyklat. Makulatur, also der Ausschuss beim Andruck, falle so gut wie gar nicht an. Die firmeneigene Photovoltaik-Anlage liefere einen Teil des Stromes, die Beleuchtung wurde auf LED umgestellt. „Unser CO2-Fußabdruck ist sehr klein, wir sind als klimaneutraler Produktionsstandort zertifiziert worden.“ Einen Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD-Richtlinien – der EU-Richtlinie für Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung, „Corporate Sustainability Reporting Directive“ – hätten sie passend zum 90. Firmengeburtstag freiwillig erstellt. Dass ihr Engagement gewürdigt wird, belegt unter anderem der Druck und Medien-Award 2024. Mail hat den zweiten Platz in der Kategorie „Umweltfreundlichkeit“ belegt und wurde als „Familiendruckerei des Jahres“ mit dem Gold-Award ausgezeichnet.

DRUCKBRANCHE UNTER DRUCK

Die Druckbranche steht seit der Jahrtausendwende selbst unter Druck. Gab es damals noch 14.000 Druck- und Medienbetriebe in der Bundesrepublik, ist deren Zahl aktuell auf 6.000 gesunken, sagt Mail, der sich auch im Verband der Druck- und Medienindustrie engagiert. Etwa 450 Unternehmen davon produzieren Etiketten. „In der Welt der großformatigen Offsetdrucker hätten wir nicht überlebt. Im Nachhinein war die Umstellung auf Etikettendruck goldrichtig“, räumt er offen ein.

Die Stimmung in der Druck-Branche beschreibt er als „ganz düster“ und spricht vom „tiefsten Punkt der vergangenen 40 Jahre“. Während der Corona-Pandemie sei der Markt für Prospektdruck zusammengebrochen, „und die Aufträge kommen auch nicht wieder“. Für den Werbemarkt rechnet er mit einem weiteren Rückgang. Eine Ausnahme sei die Verpackungsindustrie und das Feld der personalisierten Werbung. Als persönliche Konsequenz aus der Corona-Pandemie habe er damit begonnen, Papiervorräte aufzubauen. Um bessere Konditionen bei Papierherstellern zu bekommen, hat er 2023 eine Einkaufsgemeinschaft mitgegründet, deren 28 Mitglieder acht Prozent des Marktanteils beim Etikettendruck repräsentieren.

BRANCHE FÜR VERÄNDERUNG PRÄDESTINIERT

Ein besonderes Anliegen ist für Mail das Thema Ausbildung. Beim Druck und Medien-Award 2023 wurde sein Unternehmen zum „Ausbildungsbetrieb des Jahres“ gekürt. Zusätzlich zur den drei Auszubildenden im eigenen Unternehmen bringt er seine Expertise in den Prüfungsausschuss für Mediengestalter und in den Berufsbildungsausschuss bei der IHK Ostwestfalen ein. Außerdem engagiert er sich als Vorsitzender der Arbeitgeberseite im „Zentralfachausschuss Druck und Medien“, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam bundeseinheitliche Prüfungen für die Medienbranche entwickeln. Ziel sei es, die hohe Qualität der Ausbildung zu sichern.

Trotz der momentanen Situation ist er zuversichtlich: „Es wird eine Kombination aus Druck und digitaler Welt geben. Für diese Veränderung ist unsere Branche prädestiniert. Die Fähigkeit, virtuelle Welten gestalten zu können, kommt aus der Druck-Vorstufe.“ Einen neuen Beruf hätten sie im Zentralfachausschuss dazu 2023 auf den Weg gebracht: „Gestalter/-in für immersive Medien“.

Der nächste Entwicklungsschritt bei „Mail Druck und Medien“ kann also kommen.

Heiko Stoll

     

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