Politik und Standort
KI optimiert Unternehmen
In einer neuen Serie werden in loser Reihenfolge technologieorientierte Gründungen aus der Region vorgestellt. Den Auftakt macht das Start-up „42grad“: Dort wird Software für Wissensmanagement und intelligente, flexible Geschäftsprozessautomatisierung entwickelt
Kleine und mittlere Unternehmen arbeiten häufig erfolgreich und erfüllen vorbildlich die Anforderungen der Kunden. Doch viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben ihre internen Prozesse im Arbeitsalltag nicht im Fokus. Hier schlummert noch viel Potenzial, damit die Mitarbeitenden noch effektiver arbeiten und dann eventuell sogar noch mehr auf die Kundschaft eingehen können. Ein Baustein zur Kundenorientierung könnte auch ein strukturiertes Wissensmanagement sein, das zum Beispiel Fach- und Kundeninformationen bereitstellt.
WIRKSAME WERKZEUGE FÜR AUTOMATISIERUNG
Zwei junge ostwestfälische Gründer haben diese Herausforderung erkannt und stellen Lösungen bereit: Der Wirtschaftsingenieur Jonas Fröhleke und der Mathematiker und Informatiker Johann-Georg Vogelhuber gründeten in Verl die „42grad GmbH“. Denn sie sahen konkrete Möglichkeiten, mit den Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) wirksame Werkzeuge für die Automatisierung von Geschäftsprozessen zu entwickeln. Ebenfalls erkannten sie KI-Ansätze für moderne Wissensmanagementsysteme. Die Ansätze sollen durch einfache Benutzung auch kleine und mittlere Unternehmen zum Erfolg führen können.
Im vergangenen Jahr haben sich die beiden Gründer zufällig im Coworking-Space in Verl getroffen. Dabei konnten sie einige Gemeinsamkeiten identifizieren: Beide sind Leistungssportler – Schwimmen beziehungsweise Mountainbike fahren –, arbeiteten mehrere Jahre im Kontext neuster Technologien und beide waren mit der Ausbildung junger Erwachsener befasst: Johan-Georg Vogelhuber arbeitete 15 Jahre als Softwareentwickler in der Industrie, dann als Berufsschullehrer. Anschließend war er als KI-Berater und -Dienstleister für Schulen, Lehrkräfte und Unternehmen tätig. Jonas Fröhleke hat sich nach einigen Jahren als Projektmanager in Forschungs- und Entwicklungsprojekten als Ausbilder bei der Firma Beckhoff Automation in Verl engagiert. „Der Umgang mit Menschen ist uns wichtig“, erklärt Johann-Georg Vogelhuber die bisherigen Werdegänge.
Seit seinem Studium vor etwa 20 Jahren befasst sich Vogelhuber schon mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Er forciert die KI nun auch in der Berufsschule, sowohl in der Ausbildung als auch im Einsatz in der Schulorganisation. „Standardfragen der Schüler kann eine KI beantworten. Die Lehrer können sich mit den individuellen Herausforderungen befassen und so einzelne Schüler besser fördern“, weiß Vogelhuber. Er sah immer mehr Möglichkeiten, für den Einsatz der modernen Technologie bei der vollständigen oder teilweisen Automation von Prozessen in Unternehmen und Verwaltung. „Dabei steht nicht die Freistellung von Mitarbeitern im Fokus, sondern deren Entlastung“, betont Vogelhuber. So würden Kapazitäten frei für kreative und anspruchsvollere Aufgaben. Auch sei das eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten.
Während Fröhleke bei der Firma Beckhoff einen Innovationsführer der Automatisierungsbranche als Arbeitgeber kennenlernte, sah er, wie Innovationen ein Unternehmen zum Erfolg führen können. Darum fand er in Vogelhuber den idealen Partner für ein KI-Start-up. Neben Unternehmen identifizierten beide auch öffentliche Verwaltungen für ihre KI-basierte Software-Lösung, die nach einer Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung von Anträgen für schnellere Durchlaufzeiten sorgen kann.
TECHNOLOGIELIEFERANT AUS DER REGION
„Wir möchten Technologielieferant aus der Region für den Mittelstand und die Verwaltung in Ostwestfalen werden“, erklärt Fröhleke die Vision der beiden Gründer. Dazu möchten sie Innovationspartnerschaften mit mehreren Unternehmen und Verwaltungen aufbauen. „So können wir die Entwicklungskosten verteilen und die Unternehmen und Verwaltungen können von den verschiedenen Erfahrungen profitieren“, ergänzt Fröleke. So entstehe ein KI-Betriebssystem, das als Plattform für die Prozessautomation dient. KI-gestützte Softwareagenten könnten dann die Mitarbeiter von repetitiven Aufgaben entlasten. Das Prüfen von Rechnungen nennt er hier als Beispiel. „Kaffeekochen und Schnittchen schmieren klappt noch nicht“, nennt Fröhleke augenzwinkernd die Grenzen des Systems.
Bei der Produktenwicklung achten die Unternehmer schon heute auf die umfassenden Regelungen des AI-Acts der EU. Dieser ist zum 1. August 2024 offiziell in Kraft getreten. Allerdings heißt dies nicht, dass die einzelnen Regelungen bereits gelten würden. Sie treten schrittweise bis August 2027 in Kraft, teilweise also erst nach bis zu 36 Monate Übergangsfrist. Hier kann das Start-up schon heute vorbeugend Rechtssicherheit bieten. Das gilt laut Vogelhuber und Fröhleke selbstverständlich auch für den sensiblen Umgang mit personenbezogenen Daten und den Schutz aller Daten, zum Beispiel vor Cyberangriffen.
„Zurzeit besteht unser Team aus uns beiden Gründern, drei Werkstudenten sowie weiteren Professionals aus unserem Umfeld, die uns derzeit beratend mit ihrer Berufserfahrung und als Freelancer unterstützen“, sagt Vogelhuber, „bis Ende 2025 wollen wir auf ein Team von 10 – 15 Personen wachsen“.
Uwe Lück, IHK