Standpunkt
Neue Führung, neue Impulse
Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler steht Deutschland vor einer politischen und wirtschaftlichen Wegmarke. Die erste Botschaft muss jetzt lauten: Wirtschaft braucht für eine gute Zukunft Verlässlichkeit. Die Konjunktur stagniert im dritten Jahr, Investitionen stocken, Betriebe geraten unter Druck. Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung unverzüglich Aufbruchssignale sendet — für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum.
Die kurzfristige Umsetzung der angekündigten Senkung der Stromsteuer und Begrenzung der Netzentgelte wäre ein wichtiges erstes Signal. Eines, das unmittelbar bei den Unternehmen und den Menschen ankommt. Denn wettbewerbsfähige Energiepreise sind ein zentraler Hebel, um dem Standort neue Dynamik zu verleihen. Aber auch darüber hinaus brauchen wir eine entschlossene wirtschaftspolitische Trendwende — mit weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft.
Gleichzeitig dürfen wir nicht übersehen, dass neben den akuten Herausforderungen ein großes und dauerhaftes Problem schlummert: der fortschreitende demografische Wandel. Aktuelle Prognosen zeigen, dass dem Arbeitsmarkt bis 2035 bis zu 3,5 Millionen Erwerbstätige verloren gehen könnten — selbst im moderaten Szenario droht ein Rückgang um 1,5 Millionen. Das bedeutet: Die Fachkräftelücke wird sich spürbar verschärfen — und das nicht nur, wenn die Konjunktur wieder anzieht.
Um gegenzusteuern, sind drei Stellschrauben entscheidend: Erstens eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Zweitens ein gezielterer Einsatz älterer Fachkräfte, die aktuell häufig ihre Stundenzahl reduzieren und vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Und drittens: kluge, qualifikationsbezogene Zuwanderung. Auch bei diesen drei Aspekten ist die neue Bundesregierung gefordert, zukunftsfähige Weichenstellungen vorzunehmen.
Damit schließt sich der Kreis zu einem weiteren, aber positiven Befund: Immer mehr Unternehmen in unserer Region setzen auf Familienfreundlichkeit und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben — ein Schwerpunktthema dieser Ausgabe. In Ostwestfalen sind derzeit nur 26 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Das zeigt: Es gibt noch viel Potenzial — für unsere Wirtschaft und für die ganze Gesellschaft. Und gemischte Führungsteams gelten nicht ohne Grund als Innovations- und Erfolgsfaktor. Sie machen unsere Unternehmen noch erfolgreicher.
Auch dass 100 Managerinnen bei der Wirtschaftskonferenz „Entscheiderinnen im Diskurs“ in unserer IHK jetzt gemeinsam Fachthemen, Führungsmodelle und über Transformation in den Unternehmen und Geschäftsmodellen diskutiert haben, ist ein ermutigendes Zeichen. Jetzt kommt es darauf an, aus Ideen konkrete Fortschritte zu machen — wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch. All diese Initiativen eint ein Ziel, an dem es gemeinsam zu arbeiten gilt: unsere Wirtschaft in Deutschland und Ostwestfalen stärker und zukunftsfähig zu machen.
„Immer mehr Unternehmen in unserer Region setzen auf Familienfreundlichkeit und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.“
Jörn Wahl-Schwentker
IHK-Präsident